Grafische Benutzeroberfl?che oder auch grafische Benutzerschnittstelle oder Bedienoberfl?che (Abk. GUI von englisch graphical user interface) bezeichnet eine Form von Benutzerschnittstelle eines Computers. Sie hat die Aufgabe, Anwendungssoftware auf einem Rechner mittels grafischer Symbole, Steuerelemente oder auch Widgets genannt, bedienbar zu machen. Dies geschieht bei Computern meistens mittels einer Maus als Steuerger?t, mit der die grafischen Elemente bedient oder ausgew?hlt werden, bei Smartphones, Tablets und Kiosksystemen in der Regel durch Berührung eines Touchscreens.
Die Gesamtgestaltung heutiger grafischer Oberfl?chen verwendet oftmals die sogenannte Schreibtischmetapher. Dieses Konzept wurde ab 1984 mit dem Macintosh von Apple popul?r, in den 1990er Jahren entwickelte es sich zum Industriestandard bei Personal Computern.
Im Gebiet der Software-Ergonomie wird der Begriff grafische Benutzungsschnittstelle bevorzugt.
Abgrenzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine grafische Benutzerschnittstelle basiert auf einem im Grafikmodus der Hardware arbeitenden Fenstersystem und enth?lt zudem so gut wie immer eine Softwarekomponente, die die Steuerung eines Computers durch Zeigeger?te zu einem dominierenden Bedienelement macht.
Zwar erm?glichen auch zeichenorientierte Benutzerschnittstellen (?TUI“) eine nicht zeilenorientierte, also den ganzen Bildschirm einbeziehende, Bedienung der Computerprogramme, basieren aber auf dem Textmodus der Hardware.
Auch bei zeichenorientierten Benutzerschnittstellen ist grunds?tzlich eine Bedienung per Maus m?glich, aber nicht so verbreitet. Beide Bedienkonzepte (also GUI und TUI) unterscheiden sich grunds?tzlich von der Kommandozeilen-Interaktion (CLI von engl. command line interface) mit einem Computer.
GUI-Bestandteile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bedienelemente
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Zugang zu Programmen und Dateien wird dabei als Icons (Bildsymbole) dargestellt. Das GUI-System erm?glicht Fenster und Unterfenster (auch Dialoge und Meldungen sind Fenster) und ggf. das Ver?ndern ihrer Gr??e und Position, beispielsweise das Vergr??ern auf die gesamte Bildschirmgr??e, oder deren Ausblenden. Grafische Bedienoberfl?chen sind für viele Mehrzweck-Betriebssysteme verfügbar oder gar in sie integriert.
Weitere Bedienelemente sind Schaltfl?chen (Buttons, Kn?pfe), Schalter und Regler (Schieberegler), Symbolleisten (Werkzeugleisten, Toolbars), Auswahllisten oder Menüs.
Zusammengefasst werden alle diese Elemente zum WIMP-Modell, nach engl. Windows (Fenster), Icons (Datei- und Programmsymbole), Menus (Menüs) und Pointer (Zeiger, der zum Beispiel durch die Maus bewegt wird).
Eine Palette als GUI-Element kann im Gegensatz zu einem Dialog st?ndig ge?ffnet bleiben (ist ?nicht-modal“) und wird oft am Seitenrand angeordnet. Beispiele sind das Favoritencenter im Internet Explorer oder die Navigationsleiste im Adobe Reader. Ein Ribbon oder Menüband ist eine Kombination aus Menü- und Symbolleiste, die um weitere Bedienelemente erg?nzt wurde. Sie findet beispielsweise in MS Office 2010 Anwendung.
GUIs k?nnen mit der Verwendung von Metaphern für bestimmte Programmfunktionen, wie zum Beispiel dem Papierkorb, das Erlernen und das Verst?ndnis der Bedienung wesentlich erleichtern.
Weitere Bedienkonzepte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kein separates GUI-Element, aber relevant für alle GUI-Elemente ist der Fokus: Das GUI-Element, welches aktuell für die n?chste Benutzer-Aktion mit einem zeigerlosen Eingabeger?t (in der Regel einer Tastatur) relevant ist, besitzt den Fokus. Damit er jederzeit für den Benutzer sichtbar ist, ist er grafisch hervorgehoben: in Text-Eingabefeldern durch eine blinkende Eingabemarke (Cursor, Caret); andere GUI-Elemente sind meist durch eine gepunktete, dünne Umrandung hervorgehoben, wenn sie fokussiert sind (den Fokus besitzen). Das ist unverzichtbar, wenn mehrere fokussierbare GUI-Elemente sichtbar sind, da ?fehlfokussierte“ Eingaben erhebliche Konsequenzen haben k?nnen. Weiterhin besteht in der Regel für Benutzer die M?glichkeit, den Fokus mit der Tastatur (als zeigerloses Eingabeger?t) auf ein bestimmtes Element zu wechseln. Dies erm?glicht effizientes Arbeiten mit einer GUI bei vorwiegender Tastaturbedienung sowie die Erhaltung der Bedienf?higkeit bei fehlender Maus.
W?hrend der Fokus für die Tastatureingaben relevant ist, gibt es weiterhin einen Capture (?Mausfang“), also das Ziel für Mauseingaben, etwa das Aufziehen einer Markierung oder das Auftauchen von Kontexthilfe. In der Regel bekommt das Eingabelement, über dem sich der Mauszeiger befindet, die Mauseingaben. In bestimmten Situationen, zumeist bei gedrückt gehaltener Maustaste, ist das nicht der Fall und w?re irreführend. Einige GUI-Architekturen verketten automatisch Capture und Fokus, bei den meisten folgt der Fokuswechsel erst bei einem Mausklick.
Bei der Implementierung von GUI für ein verdr?ngendes Multitasking-System stellte die richtige Zuordnung von Capture und Focus zum passenden Prozess bei ad?quatem Feedback eine erhebliche implementationstechnische Hürde dar.
Technik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Benutzeroberfl?chenbaum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Benutzeroberfl?chenbaum (englisch GUI tree oder integration tree) wird der Graph bezeichnet, der die Logik der GUI-Elemente abbildet. Jeder Knoten des Baumes zeigt eine modale (d. h. die anderen Komponenten blockierende), von dieser Software verwendete GUI-Komponente, also z. B. einen Dialog zum ?ffnen einer Datei. Von einem Knoten zu einem anderen existiert genau dann eine Kante, wenn aus der ersten Komponente die zweite aufgerufen werden kann (z. B. durch Bet?tigen einer Schaltfl?che).

Normierung der Anforderungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Anforderungen an eine grafische Benutzungsschnittstelle im Rahmen der Mensch-Computer-Kommunikation sind in der internationalen Normenreihe ISO 9241 geregelt, welche als europ?ische Normenreihe EN ISO 9241 vom CEN übernommen wurden, wobei hier die Teile 110: Interaktionsprinzipien[1], 112: Grunds?tze der Informationsdarstellung[2], 125: Empfehlungen zur visuellen Informationsdarstellung[3], 143: Formulardialoge[4], 151: Leitlinien zur Gestaltung von Benutzungsschnittstellen für das World Wide Web[5], 161: Leitfaden zu visuellen User-Interface-Elementen[6] und 171: Leitlinien für die Zug?nglichkeit von Software[7] relevant sind. Dabei muss die Schnittstelle folgende Merkmale aufweisen:
- Aufgabenangemessenheit
- Selbstbeschreibungsf?higkeit
- Steuerbarkeit
- Erwartungskonformit?t
- Robustheit gegen Benutzungsfehler
- Individualisierbarkeit
- Lernf?rderlichkeit
Ferner ist in der Norm ISO 9241-151 die Umsetzung von Benutzungsschnittstellen für Web-Applikationen und deren Evaluation im Rahmen der Benutzbarkeit definiert.
Skalierbare Benutzeroberfl?che
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine skalierbare Benutzeroberfl?che ist eine grafische Benutzeroberfl?che, deren Elemente (Steuerelemente, Texte, Symbole und Layouts) sich in ihrer Gr??e an die gegebene Bildschirmgr??e und Aufl?sung anpassen. Eine Skalierung ist insbesondere bei der Nutzung einer Anwendung auf Bildschirmen mit niedriger und hoher Punktdichte (Aufl?sungen im Verh?ltnis zur Fl?che) für eine korrekte und ?sthetische Darstellung notwendig. Bei Pixel-basierter Darstellung ohne Skalierung wird die Oberfl?che entweder bei niedriger Punktdichte zu gro? oder bei hoher Punktdichte (HiDPI) zu klein angezeigt. Die Skalierung kann durch die Anwendung selbst, durch das verwendete GUI-Toolkit oder durch das Betriebssystem erfolgen.[8][9]
Geschichte
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Das Konzept von GUIs im heutigen Sinne stammt aus den 1970er Jahren. Seit 1973 erarbeitete man am Xerox PARC in Kalifornien den Xerox Alto. Den ersten kommerziellen Einsatz zeigte 1981 der Xerox Star. Einen gr??eren Kreis von Anwendern erreichte das Konzept erst durch die popul?reren Computer von Apple. Ab 1979 wurde dort daran gearbeitet, wobei man sich von Xerox inspirieren lie?, und 1983 erschien der Apple Lisa mit grafischer Benutzeroberfl?che. Dieser war noch überaus teuer, wichtiger war für die Zukunft der Apple Macintosh von 1984, der unter der Leitung von Steve Jobs entwickelt wurde.
Als origin?re GUI-Computer folgten der Atari ST (Verkaufsstart im Juni 1985) und der Commodore Amiga (Verkaufsstart im M?rz 1986). Microsoft kam im November 1985 mit Windows (1.03) hinzu, das bereits zwei Jahre zuvor als Reaktion auf Lisa angekündigt worden war. Windows 1.03 konnte allerdings die hohen Erwartungen kaum erfüllen.[10] Es lief auf den IBM-kompatiblen PCs und setzte sich sp?ter gegen das von IBM bevorzugte OS/2 durch. Auch für den weit verbreiteten Commodore 64 erschien eine grafische Benutzeroberfl?che, GEOS von 1986.
Dennoch setzten sich GUIs nur langsam durch, da die damaligen Computer meist noch zu langsam waren, um das Konzept angemessen zu realisieren. Als die Zeitschrift 64’er im Mai-Heft 1990 vier Benutzeroberfl?chen miteinander verglich, erhielten der Commodore 64 (mit GEOS) und der AT 286 (also ein IBM-PC, mit Windows) die Note gut, der Amiga und der Atari nur ein befriedigend. Die Zeitschrift lobte die gr??ere Benutzerfreundlichkeit von GUIs, wies aber auf das Problem hin, dass für manche nur wenige Anwendungen existieren. Als einheitliche L?sung mit gro?em Umfeld an Anwendungen fiel der Windows-PC positiv auf, er war aber auch am teuersten: Ger?t (mit Diskettenlaufwerk, Monitor und Maus) und Software kosteten damals 4000 DM, das entsprechende Paket Commodore 64/GEOS bzw. der Amiga waren nur halb so teuer. Der Atari ST kostete nur 1200 DM, wurde aber nur mit wenig Software ausgeliefert.[11]
8-Bit-Rechner wie der Commodore 64 erwiesen sich letztlich als zu langsam; wegen des begrenzten Arbeitsspeichers musste man des ?fteren mit Disketten hantieren. Daher waren grafische Benutzeroberfl?chen eher erst für die Generation der 16-Bit-Rechner geeignet, zum Beispiel für den Atari ST. Der Durchbruch von Microsoft Windows erfolgte nach 1992 mit Windows 3.1. Windows gilt heute als Standard beim Arbeiten mit PCs.
Unter Unix und Linux gibt es mehrere, auf das X Window System aufsetzende Desktop-Umgebungen, die den Zweck einer grafischen Oberfl?che erfüllen. Besonders bekannte Vertreter sind die Desktop-Umgebungen KDE sowie des Weiteren Gnome, Xfce und Enlightenment, ferner die Lightweight-Entwicklung LXDE.
Mit zunehmendem Funktionsumfang der GUIs selbst und der zugeh?rigen Programme nahm auch der Ressourcenbedarf der betreffenden Betriebssysteme immer weiter zu.
Mit der Verbreitung von Multi-Touch-Screens in Smartphones und Tabletcomputern entwickelten sich eigene Benutzeroberfl?chen mit Methoden wie Wischgesten und sonstiger Gestenerkennung, beispielsweise die Fingerspreiz-Geste zum Heranzoomen.
Galerie: Entwicklung des Designs grafischer Benutzeroberfl?chen
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Xerox Alto Operating System (vor 1978)
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Lisa OS (Apple Lisa, 1983)
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Macintosh System Software bzw. ?System“ (1984)
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Windows 1.03 (1985)
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TOS 1.00 (1985) auf einem Atari 1040 STE
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System 6 (1988)
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NeXTSTEP (1989)
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Windows 3.1 (1992)
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CDE (1995)
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Windows 95 (1995)
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ROX Desktop (1999)
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Xfce 3.x (2001)
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Mac OS X Panther bzw. 10.3 (2003)
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Xfce 4.x (2003)
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LXDE (2006)
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Sugar (2006)
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KDE Plasma Workspaces (KDE) 4.x (2008)
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Haiku R1 (2009)
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Gnome Shell bzw. Gnome 3.x (2011)
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KDE SC 4.7 (2011)
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Enlightenment 0.17 (2012)
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KDE Plasma 5 (2014)
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Leitlinien für die Gestaltung von ergonomischen WWW-Informationssystemen – alte Informationen von 1997–2002 bei auf der Webpr?senz der Universit?t Hamburg
- Bernd Leitenberger: Die Entwicklung der grafischen Benutzeroberfl?che
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ DIN EN ISO 9241-110:2020-10. Abgerufen am 9. Januar 2023.
- ↑ DIN EN ISO 9241-112:2017-08. Abgerufen am 9. Januar 2023.
- ↑ DIN EN ISO 9241-125:2018-05. Abgerufen am 9. Januar 2023.
- ↑ DIN EN ISO 9241-143:2012-06. Abgerufen am 9. Januar 2023.
- ↑ DIN EN ISO 9241-151:2008-09. Abgerufen am 9. Januar 2023.
- ↑ DIN EN ISO 9241-161:2016-10. Abgerufen am 9. Januar 2023.
- ↑ DIN EN ISO 9241-171:2008-10. Abgerufen am 9. Januar 2023.
- ↑ Entwicklung von Desktopanwendungen mit hoher DPI-Aufl?sung unter Windows. In: learn.microsoft.com. 28. November 2023, abgerufen am 24. Juni 2024.
- ↑ HiDPI - ArchWiki. In: wiki.archlinux.org. Abgerufen am 24. Juni 2024.
- ↑ Daniel Ichbiah: Die Microsoft Story. Bill Gates und das erfolgreichste Software-Unternehmen der Welt, Heyne: München 1993 (Original 1991), S. 241, S. 253–256.
- ↑ Dirk Astrath: Ganz und gar nicht oberfl?chlich. In: 64’er, Mai 1990, S. 54–60.